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Eine Naturkatastrophe führt zu einem beträchtlichen Schaden am Fuhrpark einer Landeshauptstadt (Servicefahrzeuge). Um die Servicefahrzeuge schnellstmöglich wieder zum Einsatz bringen zu können, vergibt die Auftraggeberin einen Reparatur- und Wartungsvertrag unter Berufung auf äußerst dringliche zwingende Gründe (§ 37 Abs 1 Z 4 BVergG 2018) im Wege eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung im Oberschwellenbereich. Um niedrigere Preise zu erhalten, schließt er den Wartungsvertrag auf fünf Jahre ab. Darf er das?
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Erklärung
Aufträge dürfen im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung gemäß § 37 Abs 1 Z 4 BVergG 2018 nur vergeben werden, wenn folgende drei Voraussetzungen gemeinsam (kumulativ) vorliegen: ein unvorhergesehenes Ereignis, dringliche und zwingende Gründe, die die Einhaltung der in anderen Verfahren vorgeschriebenen Fristen nicht zulassen und ein Kausalzusammenhang zwischen dem unvorhersehbaren Ereignis und den sich daraus ergebenden dringlichen zwingenden Gründen (Vgl EuGH 2.8.1993, C-107/92).
Im gegenständlichen Fall liegen diese Voraussetzungen vor und darf deshalb ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung durchgeführt werden. Damit ist aber noch nichts dazu gesagt, welche maximale Laufzeit der mittels Notvergabe abzuschließende Vertrag haben darf. Der BMJ hat (anlässlich der COVID-Pandemie) in einem Rundschreiben (Geschäftszahl: 2020-0.196.642) bereits klargestellt, dass „das oben beschriebene Ausnahmeverfahren lediglich zur Überbrückung dienen darf, bis langfristigere Lösungen gefunden sind“. Zuletzt haben sich die deutschen Gerichte (zuletzt die VK Niedersachsen in ihrem Beschluss vom 25.06.2024) intensiv damit befasst: Auch hier wird festgehalten, dass die Vertragslaufzeit nur so lange festgelegt werden darf, wie dies unbedingt notwendig ist, um die Dringlichkeit zu überbrücken und einen „Versorgungsengpass“ zu vermeiden. Der Zeitraum darf also als ultima ratio nur soweit bemessen werden, wie es erforderlich ist, die vom Auftraggeber beabsichtigte Vergabe in einem ordnungsgemäßen ordentlichen Vergabeverfahren durchzuführen. Im Regelfall sind das maximal 12 Monate.
Der Zeitraum von fünf Jahren aus dem Quiz geht weit über das hinaus, was zur Abdeckung des akuten Notfalls erforderlich wäre und ist deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit unzulässig.